Geschichte der IGS (aus der Festschrift zum 30-jährigen Bestehen)

ÜBER DREI JAHRZEHNTE INTEGRIERTE GESAMTSCHULE FÜRSTENAU

- Keine Bilanz -

1. Schlaglichter aus den Anfangsjahren

„Gesamtschule Fürstenau öffnet morgen erstmals ihre Pforten - 210 Jungen und Mädchen in sieben Klassen – Beginn mit 19 Lehrkräften - Damit wird das erste Modell einer integrierten Gesamtschule im ländlichen Raum funktionsfähig.“ Das ist erst 30 Jahre her – oder schon? Wie dem auch sei, in den „Schoß gefallen“ ist sie den Fürstenauern damals nicht, diese Schule, die bis heute eigentlich keinen besonderen Namen hat. IGS ist das Markenzeichen, das im nordwestlichen Teil des Landkreises Osnabrück alle kennen. Viele Fürstenauer sagen „unsere IGS“, und das mit gutem Grund: In den 1960er Jahren wurde im Altkreis das Bildungsangebot erweitert. In Bersenbrück und Bramsche richtete man – zusätzlich zu Quakenbrück – neue Gymnasien ein, alle an der Ostseite des Kreises gelegen. Ein weiteres Gymnasium war nicht geplant. Als die Fürstenauer hörten, an einer Gesamtschule könne man Abitur machen, griffen sie zu; das Angebot war aus Hannover gekommen. 1969 wurde nach Ratsbeschluss eine Planungsgruppe für die Errichtung einer integrativen Gesamtschule in Fürstenau eingerichtet. „Weil ... die Volks- und Realschule nicht auch noch zu halten waren, kam der Gesamtschule die Rolle einer wirklichen Ins-Gesamt-Schule für die Fürstenauer zu. Im niedersächsischen Schulgesetz wurde in diesem Sinne eine spezielle lex Fürstenau geschaffen, einzigartig in der bundesrepublikanischen Schulgesetzgebung.“ Am 10. November 1973 meldete das Bersenbrücker Kreisblatt „Die Gesamtschule um das Doppelte erweitert. In 20 Klassen werden fast 600 Schüler unterrichtet.“ Bei dieser ersten baulichen Erweiterung hatte man schon an den 3. Bau-Abschnitt gedacht: die Mensa wurde räumlich bereits für die wachsende Schülerzahl der kommenden Jahre ausgelegt, vorerst aber teilweise für Unterrichtsräume benutzt. Ermöglicht wurde diese vorübergehende Nutzung durch eine Einrichtung, die derzeit im Schulgebäude immer wieder zum Einsatz kam und an die sich Lehrkräfte und Ehemalige vielleicht mit gemischten Gefühlen erinnern: die flexible Trennwand. Zu Beginn des Schuljahres 1975/76 besuchten über 1000 Schülerinnen und Schüler in 34 Klassen ein um den 3. Bauabschnitt erweitertes Schulgebäude. Der Chronist des Bersenbrücker Kreisblattes war beeindruckt: „Die im Neubautrakt an der Südseite ... entstandene Aula ist von einer für Fürstenau imponierenden Größenordnung und modernen Architektur. Die Aula soll später auch als Forum für kulturelle Veranstaltungen für die Öffentlichkeit genutzt werden. Der Samtgemeinderat beschloß daher die Anschaffung eines Konzertflügels. ... Zur Zeit (entsteht) eine fast 300 Quadratmeter große Bibliothek in zwei Etagen, die mit einer Wendeltreppe verbunden werden.“

Seit vier Jahren bestand nun die IGS Fürstenau. Sehr bald allerdings hatte „es zwischen verschiedenen Gruppen in der Stadt und im Umland regelrechte Glaubenskriege (gegeben) um das eigentlich doch gewollte Kind. Man hatte es aber wohl doch nicht so gewollt, wie es dann war.“ Viele Lehrkräfte, frisch von der Hochschule gekommen, waren der Überzeugung, die - in manchen Bereichen reformwürdige - Gesellschaft ließe sich vor allem über die Schule verändern. Diese Berufsphilosophie hatte in ihrer pädagogischen Umsetzung vor Ort den Grundsatz nicht beherzigt, dass Schulen nicht „gegen Eltern durchgesetzt, sondern nur mit ihnen entwickelt werden können“. „Sehr schnell wurde die Gründung (der IGS) bei manchen Altfürstenauern und Verantwortlichen ein zumindest problematisches Kind.“ Als es aber im Winter 1976/77 um die Sicherung dessen ging, was man eigentlich angestrebt hatte, führte die beispiellose Solidarität aller Betroffenen zum Erfolg. Der Fürstenauer IGS sollte von der Landesregierung das genommen werden, weshalb sie von den Fürstenauern gewollt worden war: die Oberstufe und damit der direkte Weg zum Abitur. Die Sekundarstufe II der IGS sollte ein Ableger des Gymnasiums Quakenbrück werden. Der Schulelternrat organisierte für die Zeit vom 20. bis 27.Januar 1977 einen Schulstreik. Die Eltern schickten ihre Kinder nicht zur Schule. Der Landkreis Osnabrück ließ verlautbaren: „Im Zusammenhang mit dem Schulstreik an der Gesamtschule teilt die Polizei mit, daß diejenigen Kinder, die am Unterricht teilnehmen wollen, die Möglichkeit haben müssen, die Schule zu betreten. Die Polizei wird dafür sorgen, daß diesen Kindern der ungehinderte Zugang zur Schule ermöglicht wird. Verstöße gegen das Schulgesetz können ... mit einem Bußgeld belegt werden.“ Etwa 4000 Bürger versammelten sich am 22. Januar auf dem Fürstenauer Marktplatz. So und ähnlich lauteten die zahlreichen Plakate: Wir wollen nicht verzagen, der Kreistag muß noch einmal tagen. Wir lassen uns nicht verschaukeln. Sind wir erst in Quakenbrück, gibt es kein Zurück. Geht Denkmalspflege vor Schulreform? Wir wollen nicht die Marionetten des Artland-Gymnasiums sein!! Das Windei des Jahres - CDU, SPD und FDP gemeinsam für eine unabhängige SEK II. Kultusminister Remmers hatte das Gespür dafür, dass „demokratische Politik dem berechtigten Bürgerwillen nachzukommen hat“. Alle sind heute froh, dass es an der IGS Fürstenau die Oberstufe gibt. Und die Schule hat in den letzten 25 Jahren zunehmend gelernt, dass sie keine isolierte Einrichtung ist.

2. Bewegte Schule? - Schule unterwegs?

Das zweite und dritte Jahrzehnt bescherten der Schule die beiden einschneidenden Ereignisse, die alle am Schulleben beteiligten gleichermaßen in Bewegung, im Wortsinne von der Stelle brachten. 1984 (Lag es am Abitur? War es das verflixte 13. Jahr?) bewegte sich die Deckenabhängung im Forum in Richtung Fußboden. Ursache: „Baufehler“; Folge: Die Schule wurde seitens der Baubehörde geschlossen. Im Januar 1992 bewegten sich Feuerwehrwagen Richtung IGS. Kein Probealarm (um 7.00 Uhr ohnehin höchst unwahrscheinlich), sondern der Ernstfall: Zwei Klassenräume brannten. Ursache: brennbares Material an bzw. hinter den Heizkörpern; Folge: Die Schule wurde seitens der Gesundheitsbehörde geschlossen. In beiden Fällen machte sich naturgemäß zunächst eine leichte Lähmung, nach Sondierung der Lage aber hektische Betriebsamkeit breit. Zunächst traf es das Lehrerkollegium. Die dringend nötigen Dienstbesprechungen wurden in Räume außerhalb der Schule verlegt: in das Sitzungszimmer des Rathauses etwa oder ins Settruper Heimathaus. Die Verwaltung bezog – 1992 – Räume in der Stadtverwaltung. Der Unterrichtsbetrieb musste schnellstmöglich wiederaufgenommen werden. Räume außerhalb der Schule waren vonnöten. LKW-Ladungen von Mobiliar wurden in die provisorischen Unterrichtsräume bewegt. Wo fand nicht überall Unterricht statt: in den umliegenden Grundschulen, bei der Bundeswehr, in Kindergärten, in der „1912“-Schule (hier sogar z. T. auf den Fluren), in Gemeindehäusern, in Schützenhallen, sogar bei den Fachlehrern zu Hause. Der „Ems-Hase-Report“ meldete im Mai 1984: „Totalrenovierung muß sein - Schulbetrieb läuft provisorisch weiter. Die Schüler wurden auf die umliegenden Schulen verteilt, die Ganztagsschule vorübergehend aufgehoben.

Mittags gehen die Kinder bereits nach Hause. Glücklicherweise, sagt Schulleiter Thilo Herrmann, sei das Unglück an einem Wochenende passiert. Es hätte Tote geben können. ... Zum Schuljahrsbeginn 1984/85 soll der Gesamtschulbetrieb wieder voll aufgenommen werden können.“ Das Provisorium dauerte 1984 also immerhin ein Schulhalbjahr. Die Sanierungsarbeiten nach dem Brand am 23. Januar 1992 nahmen glücklicherweise nicht so viel Zeit in Anspruch; es vergingen allerdings zunächst drei Wochen, bis der Unterricht wiederaufgenommen werden konnte: teils in freigegebenen Räumen des Schulgebäudes, teils aber auch wieder einmal außerhalb. Erfahrungen waren ja bereits vorhanden. Dem Kommandeur des Jägerbataillons 522, Oberstleutnant Wulf Ulrich, gebührt ebenso Dank wie Major Joachim und Oberleutnant Lange für die unbürokratische und schnelle Hilfe vor Ort. Dank gilt auch der evangelischen und katholischen Kirchengemeinde, dem Heimatverein Settrup, der Spielvereinigung Fürstenau, dem Schützenverein Fürstenau, der DLRG, aber auch den Schülern und Lehrern, der Verwaltung und den Hausmeistern, die zusätzliche Strapazen auf sich nehmen müssen. Der dreiwöchige „Zwangsurlaub“ für SchülerInnen und Lehrer sollte allerdings durch einen „Nachschlag“ vom 1. bis 3. April 1992 „ausgeglichen“ werden. Ob tatsächlich etwas daraus geworden ist, daran kann sich der Verfasser nicht mehr erinnern. Daran allerdings erinnern alle sich gern, die es miterleben durften: Thilo von der Bojemühle legte die Mönchskutte an. Der Herold eröffnete am Nachmittag mit Trommlern und Pfeifern das mittelalterliche Markttreiben. ... Künstlerisch hervorragend gestaltete Kulissen, liebevoll hergerichtete Marktstände mit einem reichhaltigen Angebot von Waren, viele Theateraufführungen, Sketche, Schattenspiele sowie munteres Treiben in Spelunken, Wirtshäusern und einem orientalischen Café hinterließen bei Akteuren und Besuchern das Gefühl, selbst an einem mittelalterlichen Großmarkt beteiligt zu sein. Viel Bewegung herrschte anlässlich des Festes „Auf ins Mittelalter“ vom 23. bis 25. September 1983 in der Schule, als sich „ein vorher nie erlebter Besucherstrom von etwa 3000 Personen“ durch die Flure drängte. Das ist schon 18 Jahre her – oder erst? Uns allen können wir nur wünschen, dass unserem diesjährigen Schulfest ein ähnlicher Erfolg beschieden sein wird.

3. Baustelle Schule

Seit dem Frühjahr 2000 wird im Schulgebäude fleißig gebaut und gewerkelt. Handwerker gehören zum alltäglichen Bild. Es geht um längst fällige Sanierungen und um den wichtigen Brandschutz. Abmontierte Wandverkleidungen geben den Blick frei auf vorher nur Erahntes, auf die funktionellen „Eingeweide“ unseres Gebäudes. Die Flure haben ihr Gesicht verändert. Neue Wandflächen waren bereits Anreiz und Aufforderung zu gelungener künstlerischer Gestaltung. Ein Ende der Baumaßnahmen scheint vorerst nicht in Sicht. Aber was soll es: Schulische Arbeit muss eben „behaust“ sein. Gerade im letzten Jahr aber ging mit der Gebäudeveränderung ein anderer, viel bedeutenderer „Umbau“ einher: Aus der Schulprogrammdiskussion entwickelte sich der Anstoß, über ein neues „Gerüst“ für ein erweitertes schulisches Angebot der IGS nachzudenken. Das von der Didaktischen Konferenz in vielen Sitzungen und Klausurtagungen erarbeitete Konzept fand bei den zuständigen Gremien breite Zustimmung. Vom Schuljahr 2001/2002 an wird es demnach im 5. Jahrgang neben dem bisherigen Angebot drei Klassen mit einem besonderen Profil geben (Sprachen, Naturwissenschaften, Lernen an Projekten). Eltern, Schüler und Lehrer haben Bereitschaft gezeigt, auf bewährten Fundamenten „neue Räume“ zur Verfügung zu stellen. Dass dieser Schritt richtig war, zeigt die hohe Akzeptanz bei den Eltern und Schülern des künftigen 5. Jahrgangs. Ob das neue Konzept auf Dauer die Ergebnisse zeitigt, welche die Beteiligten sich erhoffen, mag man bezweifeln – es wird sich zeigen! Nur: Wer nichts versucht, kann nichts bewirken. In der momentanen schulischen Landschaft ist jeder Schritt, den man nicht vorwärts tut, ein Schritt zurück.

(aus der Festschrift zum 30-jährigen Bestehen der IGS 2001; Verfasser: Peter Burlage)