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Fürstenauerin berichtet aus vergangenen Zeiten
 
Sie reihte sich ein in den Kreis der Sechstklässler, die agile Seniorin Anneliese Sonntag. Schulleiter Gerald Wieziolkowski begrüßte sie in der IGS. Ganz selbstverständlich nahmen die Schüler der 6/3 die Dame in ihre Mitte. Sie wussten, dass die gebürtige Fürstenauerin ihnen eine ungewöhnliche, spannende Lehrstunde erteilen würde. Denn 70 Jahre Lebenserfahrung liegen zwischen der Seniorin und den Teenagern. Anneliese Sonntag erlebte Fürstenau zu einer anderen, schwierigen Zeit. Unbefangen erzählte die Seniorin von ihrer Kindheit im Dritten Reich und dem Kriegsende in der Stadt, in der die Schüler heute leben oder zur Schule gehen.
SonntagBernd Kruse, Lehrer der Klasse, bereitete seine Schützlinge gut auf den Besuch vor. Fächerübergreifend in Deutsch, Religion und Gesellschaftslehre informierten sie sich über den Nationalsozialismus und die jüdische Religion und Kultur. Aber Anneliese Sonntag kann das Erlernte durch ihre Erzählungen beleben. Sie macht Geschichte fassbar. Und so berichtete sie von ihrer eigentlich glücklichen Kindheit in der Kleinen Straße.
Als jüngstes Kind wächst sie in einer Familie, in der sie Liebe und Geborgenheit findet, auf. Ihr Vater Emil Blanck arbeitet für den jüdischen Viehhändler Hamburger in direkter Nachbarschaft. Die Kinder Blanck spielen selbstverständlich mit den jüdischen Nachbarkindern. Doch eines Tages bringt man den an Epilepsie leidenden Herbert, Spross der Familie Hamburger, zwangsweise nach Osnabrück. Einige Zeit später erhält die Familie die Nachricht über den Tod ihres Sohnes. Tief bestürzt trauern die Nachbarn mit der Familie um den Sohn und Freund. Aber es kommt noch schlimmer. Die jüdische Familie bekommt den sogenannten Evakuierungsbefehl nach Osten. Die Nachbarn verabschieden sich von den Hamburgern.
Das wird den Eltern von Anneliese Sonntag, Emil und Anna Blanck, zum Verhängnis. Irgendjemand beobachtet dies und schwärzt die Blancks bei der Obrigkeit an. Sie werden verhaftet und zunächst für eine Nacht in das Gefängnis am Schloss gebracht. Am nächsten Tag bringt man das Ehepaar nach Osnabrück in das Gefängnis der Gestapo. Die Kinder der Blancks bleiben alleine zurück. Sie sind zwar schon halbwüchsig, aber die Ungewissheit um das Schicksal der Eltern ist sehr belastend, zumal Anneliese kurz vor ihrer Konfirmation steht. Erfreulicherweise lässt die Gestapo die Blancks nach einer Woche wegen Geringfügigkeit des Vergehens wieder frei. Bernd Kruse kann die Erzählung von Frau Sonntag durch Dokumente der Gestapo, die im Staatsarchiv in Osnabrück lagern, belegen. Mit einem blauen Auge kommen die Blancks davon. Familie Hamburger erleidet ein ungleich schrecklicheres Schicksal.
Und was gibt Anneliese Sonntag den Schülern von heute mit auf ihren Weg? „Menschlich bleiben!“, ermahnt die Seniorin ihre jungen Zuhörer, „Egal, in welcher Lage man lebt.“