Kultusminister Grant Hendrik Tonne zu Gast an der IGS Fürstenau

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von Jürgen Ackmann (Bersenbrücker Kreisblatt)

Auch weiterhin mit Noten

Zu Gast an der IGS in Fürstenau: Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne – hier mit Schulleiter Jürgen Sander (links; Fotos: Jürgen Ackmann).

 

Fast schon nonchalant warf Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne einen Satz in den Raum, mit dem die Schulgemeinschaft der IGS Fürstenau nicht gerechnet hatte. Nein, die IGS könne für die Jahrgänge fünf bis acht weiter das System einer parallelen Lernentwicklungsdokumentation mit Berichten und auch Noten beibehalten. Daran werde auch der neue IGS-Grundsatzerlass nichts ändern. Es gelte Bestandsschutz.

Als Grant Hendrik Tonne das sagte, waren beim Besuch des Kultusministers in der IGS gerade einmal zehn Minuten vergangen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich Lehrer, Eltern- und Schülervertreter darauf eingerichtet, mit flammenden Appellen den Landespolitiker davon zu überzeugen, dass die IGS mit ihrem bisherigen System gut gefahren sei, sodass sich alle wünschten, es beizubehalten. Eine Lernentwicklungsdokumentation ohne Noten bis einschließlich des achten Jahrganges – wie offenbar im neuen IGS-Grunderlass vorgesehen – sei nicht das, was die Schule wolle.

Dazu kam es nicht mehr. Nachdem Jürgen Sander seine „Sorgen“ zum Ausdruck gebracht hatte, fiel jener Satz, der bei allen mit einem Schlag Zufriedenheit auf die Gesichter zauberte. „Das ist für uns eine hervorragende Mitteilung“, sagte Jürgen Sander, um dies am Schluss des Treffens im Lehrertrainingszentrum der IGS noch einmal nicht minder begeistert zu wiederholen. So begeistert war er.

Nachdem dieser Stein der Schulgemeinschaft vom Herzen gefallen war, blieb Zeit, für ein anderes Anliegen Werbung zu machen – das von der IGS entwickelte Inklusionskonzept. Das erläuterte die didaktische Leiterin Kerstin Selter. In den vergangenen fünf Jahren habe sich die IGS intensiv mit dem eigenen Schulprofil befasst und in enger Zusammenarbeit mit Eltern unter anderem ein F-Profil für die Inklusion entwickelt. Das „F“ stehe für „Fördern, Fordern, Fit-machen“, so Kerstin Selter. Dieses neue F-Profil fuße auf der Erkenntnis, dass Inklusion in Klassen mit mehr als 25 Schülern nicht umsetzbar sei. Was also tun?

Ein eigens eingerichteter Arbeitskreis „Integration in den Jahrgängen 5 und 6“ habe dann dafür gesorgt, dass ab dem Schuljahr 2017/18 ein F-Profil mit Kleinlerngruppen von maximal sechs bis acht Schülern eingerichtet worden sei, die einen sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf hätten, so Kerstin Selter. Sie nähmen beispielsweise in Fächern wie Sport, Musik oder Arbeit/Wirtschaft/Technik am Unterricht in den Regelklassen teil. In Hauptfächern wie Mathematik, Deutsch oder Englisch seien hingegen eine intensive Zuwendung und Förderung notwendig. Das werde unter anderem mit „Team-Teaching“ sichergestellt. Schüler im F-Profil könnten in ihrem individuellen Tempo lernen, hätten oft zum ersten Mal Erfolgserlebnisse und nicht täglich das Gefühl, im Vergleich mit anderen Schülern zu scheitern. Überdies sei die Lernatmosphäre entspannter, die Zahl der Konflikte geringer. Auch würden die „Stamm-Klassen“ entlastet.

Dieses Konzept zeige inzwischen Erfolge – auch mit Blick darauf, dass Schüler wieder komplett in ihre Regelklassen wechseln können. Das sei auch das erklärte Ziel der IGS, betonte Kerstin Selter. Gleichwohl hat die IGS insgesamt noch einige Wünsche. So werden die Lehrerstunden für das F-Profil derzeit lediglich zu zwei Dritteln über abgeordnete Förderlehrkräfte gesichert, ein Drittel der Stunden muss die IGS aus eigenen Ressourcen bestreiten. Überdies bekommen die Kinder nicht die Förderstunden, die ihnen rechtmäßig zustehen. An der IGS gebe es einen Bedarf von 132 Stunden, aber nur 74 würden von abgeordneten Förderlehrkräften übernommen, erklärte Kerstin Selter.

Grant Hendrik Tonne waren diese Sachverhalte bewusst. Es dauere einfach, bis genügend Förderlehrkräfte ausgebildet seien und zur Verfügung stünden. Das gehe nicht von einem Jahr auf das nächste, betonte der Kultusminister. Zugleich befürwortete er ausdrücklich, dass die IGS für sich ein Inklusionskonzept entwickelt habe. Es gebe nicht den einen richtigen Weg. Wenn es vor Ort passe, sei es gut.

Und dann war da noch Yannick Kaddar von der Schülervertretung der IGS. Er überreichte Grant Hendrik Tonne ein Memory-Spiel, gestaltet von Jungen und Mädchen aus den Kunstkursen des Wahlpflichtbereiches im achten Jahrgang. Diese „Jubiläums-Edition“ soll den Kultusminister daran erinnern, dass die IGS im nächsten Jahr 50 Jahre alt wird – und dass er doch bitte zur Feier komme möge. Eine charmante Einladung.

Kommentar von Jürgen Ackmann (Bersenbrücker Kreisblatt, 07.03.2020)

Einfach war es nie

210 Schüler, 19 Lehrer, ein noch nicht komplett ausgebautes Gebäude – so startete 1971 die erste Integrierte Gesamtschule im ländlichen Raum in Fürstenau. Es sollten bewegte Zeiten folgen – beispielsweise der Kampf in den 70er-Jahren um eine Oberstufe mit Schulstreik und einer großen Demo, an der 4000 Bürger in der Innenstadt teilnahmen, 2010 war es das Engagement gegen das Turbo-Abitur, das für Furore sorgte – ebenfalls begleitet von einer großen Demo.

Die IGS kam jeweils zu ihrem Recht. Es gab aber auch schwere Erschütterungen, mit denen die IGS leben musste – als 1984 an einem Wochenende die Deckenabhängung im Forum der IGS wegen eines Baufehlers zu Boden krachte oder als es 1992 brannte. In beiden Fällen war hohe Improvisationskunst gefragt.

All das – und noch viel mehr – hat dazu geführt, dass die IGS von einem besonderen Geist geprägt ist. Sie fügt sich nicht einfach so, sie verlässt sich nicht auf andere. Sie nimmt ihre Geschicke selbst in Hand – eben auch pädagogisch –, ob es nun um die Ausgestaltung der Inklusion nach IGS-Art geht oder um das Pochen auf eine parallele Lernentwicklungsdokumentation für die Klassen fünf bis acht sowohl in Berichtsform als auch mit Noten.

Einfach hat es die Schule sich noch nie gemacht, neu erfunden hat sie sich schon oft.