Reicht das? 90 iPads für die IGS Fürstenau…

In der ersten Märzwoche noch keine Rückkehr zu mehr Präsenzunterricht
24. Februar 2021
Schulanmeldungen – Schülerfragestunde am Freitag
2. März 2021

FÜR DIE SCHÜLER: 90 iPads hat die IGS für Jungen und Mädchen erhalten, denen es an ausreichender technischer Ausrüstung fehlt. Auf dem Foto sind die IGS-Lehrerinnen Eva Jansen (Mitte) und Kerstin Selter (rechts hinten) zu sehen (Foto: Jürgen Ackmann).

von Jürgen Ackmann (Bersenbrücker Kreisblatt)

Wenn gute Nerven gefragt sind / Was Schüler dazu sagen

 

Homeschooling während der Corona-Pandemie stellt selbst Eltern von guten Schülern vor Probleme. Kinder aus bildungsfernen Familien oder solchen, denen die technische Ausstattung fehlt, drohen im Distanzunterricht abgehängt zu werden. Als kleine Unterstützung hat die IGS Fürstenau 90 iPads bekommen – finanziert aus dem Digitalpakt der Bundesregierung. Aber reicht das?

„Ich wünsche Ihnen weiterhin gute Nerven und eine angenehme Zeit.“ So hat der Leiter der IGS Fürstenau, Jürgen Sander, kürzlich einen Durchhalte-Elternbrief von Kultusminister Hendrik Tonne zum weiteren Unterricht in Niedersachsen und zur beschleunigten Digitalisierung leicht sarkastisch kommentiert.
Gute Nerven müssen auch die rund 1200 Schüler und 115 Lehrer haben, wenn es um die Digitalisierung geht – so wie an anderen Schulen auch. Da sind die 90 neuen iPads aus dem Digitalpakt als Hilfe beim Homeschooling zwar willkommen. Doch wer sich in den Klassenräumen umsieht, entdeckt vor allem Kreidetafeln, Overheadprojektoren, aber wenig Digitales. Immerhin: Die Oberstufe ist mittlerweile mit W-Lan ausgestattet. Auch IServ – eine Lehr- und Lernplattform für Lehrer und Schüler – verrichtet gute Dienste.
Obwohl: Bei zu vielen Videokonferenzen gleichzeitig bricht der Server schon mal zusammen. Das erfordert Abstimmung, Improvisation und Mehrarbeit. Besser als nichts, aber viel zu wenig, um derzeit in der digitalen Welt eine geschmeidige Figur abzugeben, finden Schüler und Lehrer – wobei sie sich freuen, dass Corona den Weg dorthin beschleunigt hat.
Um das Ausleihen der neuen Errungenschaft – der iPads – kümmert sich Kerstin Selter, Mitglied der kollegialen Schulleitung an der IGS. Nach einer Umfrage, die über die Tutoren der Schule lief, unterschrieben am 6. Oktober 2020 die ersten Eltern einen Vertrag bis zum Ende des Schuljahres im Sommer 2021. Die iPads händigte anschließend Schulassistent Bernd Rolfes aus. Mehr als 60 Geräte befinden sich derzeit in Schülerhänden. Bei Bedürftigkeit sind weitere Ausleihen möglich.

Besser als ein Smartphone

Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass die iPads eine gute Hilfe beim Lernen sind – vor allem, wenn nur ein Smartphone greifbar ist. Eines der Geräte nutzt Dana aus Ankum, 16 Jahre alt, 10. Klasse. Seit sechs Wochen nimmt sie mit dem iPad an Videokonferenzen teil und ist damit auf IServ aktiv, um ihre Aufgaben abzurufen. Der Rechner zu Hause sei zu alt, das Handy keine Lösung, sagt sie. „Für mich ist das eine Arbeitserleichterung“, so Dana – eine wichtige zumal, da in Kürze die Prüfungen für den Abschluss der 10. Klasse anstehen.

Grenze ist erreicht

Ähnlich ist die Situation im Hause der Familie Kosche aus Gehrde. Die drei Kinder gehen noch zur Schule beziehungsweise befinden sich in der Ausbildung. Allen drei gemeinsam: Sie müssen oft von zu Hause aus lernen und auch an Videokonferenzen teilnehmen. „Da war bei uns die technische Grenze erreicht, unsere Ausstattung hat nicht gereicht“, sagt Vater Oliver Kosche. Er sei froh, dass Tochter Lilly von der IGS ein iPad bekommen habe.
Gleichwohl sei die Situation für die Familie nicht einfach. Zwischendurch stelle sich schon mal ein „Lagerkoller“ ein. Die Jüngste müsse dann schon mal mit einer Runde Kekse gepusht werden. Einfach geht anders, trotz des neuen iPads.
Emra aus Fürstenau findet das neue iPad „einfach cool“. Der 12-Jährige besucht die Förderklasse der IGS für die fünften und sechsten Jahrgänge. Dort werden Jungen und Mädchen mit „sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf“ in einer kleinen Gruppe wieder an die regulären Klassen herangeführt – eine Herausforderung für Schüler und Lehrer, die nur im persönlichen Kontakt im Klassenzimmer erfolgreich zu bewältigen ist. Und der ist derzeit stark eingeschränkt. Viele Schüler waren seit November nicht mehr in der IGS. Regelmäßig vor Ort sind lediglich die Abschlussklassen 9, 10 und 13.
Das hat auch dazu geführt, dass Emra und seine Mitschüler im F-Profil – so nennt die IGS dieses Inklusionsprojekt – zwar über ein iPad verfügen, aber noch keine Zeit war, ihnen den Umgang damit vernünftig zu erklären, wie Lehrerin Eva Jansen sagt. „Wir müssen danebensitzen und alles Schritt für Schritt erklären, sonst geht es nicht“, sagt sie. Coronabedingt fielen die Schüler derzeit leider wieder zurück.
Unabhängig von Fragen der technischen Ausbildung sind die Corona-Zeiten schwer. Es gebe Schüler, bei denen die Gefahr bestehe, dass sie ganz abtauchten. Ihnen fehle die Struktur des Schulalltags, Unterstützung in der Familie, der persönliche Kontakt zu den Lehrern, erklärt Lehrerin Eva Jansen. „Wir müssen aufpassen, sie nicht zu verlieren“, fügt Kerstin Selter hinzu.

Griff zum Telefon

Um das zu verhindern, sind digitale Endgeräte ungeeignet. Die IGS-Lehrer greifen deshalb zum Telefon, rufen an, erkundigen sich, forschen nach. Die Hausaufgaben bringen sie den Kindern nach Hause – aufreibendes persönliches Engagement, aber besser, als einfach die Hände zu heben. „Wir wollen nicht, dass diese Kinder durch die Maschen fallen“, betont Kerstin Selter.
Bei der Vergabe der iPads geht die IGS nicht nach starren, bürokratischen Kriterien vor. „Ich bin ein Fan von pragmatischen Lösungen“, sagt Kerstin Selter. Wenn da eine vielköpfige Familie sei, die nicht das klassische Kriterium der „sozialen Bedürftigkeit“ erfülle, aber dennoch aus Kostengründen nicht alle Kinder technisch perfekt ausstatten könne, dann müsse die IGS helfen. „Das ist auch ein Fall von Bedürftigkeit“, betont Kerstin Selter.
Gleichwohl gibt es bei einer Reihe von Schülern wegen der iPad-Ausleihe Abstimmungsbedarf mit der Maßarbeit in Osnabrück. Die will bei der Vergabe der Geräte alles haargenau begründet und bestätigt wissen. „Wir stellen dann für die Eltern Bescheinigungen aus“, erklärt Kerstin Selter und versieht das bürokratische Vorgehen mit einem großen Fragezeichen, weil zeitlich sehr aufwendig; unkomplizierter wäre besser.
Abgesehen von diesen Alltagshürden: Fachleute wie der OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher sehen im „Digitalpakt Schule“ nur einen ersten Schritt. Danach müsse eine moderne Lernumgebung folgen und die Ausbildung von Lehrern und Schülern, um mit der neuen Technologie wirksam arbeiten zu können. Digitaltechnik allein mache noch keinen besseren Unterricht.

Vor 10 Jahren undenkbar

Mithin ein langer Weg, der der IGS im 50. Jahr ihres Bestehens bevorsteht. Vor zehn Jahren, im März 2011, war die Welt noch eine andere. Homeschooling – iPads – Digitalisierung: Darüber hat an der IGS niemand geredet. Stattdessen tüftelte das Kollegium aus Anlass des 40-jährigen Bestehens im Heimathaus Settrup eine Agenda für die nächsten zehn Jahre aus. Überschrieben: „Und so geht’s weiter – Die IGS Fürstenau 2021“. Stichworte waren „ganzheitliches Lernen“, „soziale Kompetenz“, „Integration“. Die haben noch Bestand. Aber es gibt neue Wörter: „Inzidenzbasierter Stufenplan“, „Wechselunterricht nach Szenario B“ und „Digitalpakt“ – Begriffe mit Folgen für die tägliche pädagogische Arbeit.